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Sonnabend, 21.11.87 (41)
Beinahe habe ich das Schreiben vergessen. Erst las ich ein Buch, dann beschäftigte ich mich mit dem Umpumpen von Kraftstoff. Die Zeit verging wie im Fluge und jetzt bin ich dabei, Pudding für das Frühstück zu kochen. Gestern gab es Gulaschsuppe und heute wollte ich Grieß mit Erdbeeren machen, es fehlte aber an Grieß. Den bekommen wir von der SU-Station Also gibt es zweifarbigen Pudding, verziert mit einem Stück Schokolade. Es ist mein letzter Nachtdienst, dann habe ich ein paar Wochen Ruhe. Ich muß nur noch saubermachen. Um 12.00 Uhr werde ich aufstehen und in die Banja gehen. Wir haben heute auf die kleinen Generatoren umgeschaltet, da es heute sehr warm war (über 0°C). Gegen Abend kam dann wieder Wind auf und die Temperatur sank auf -3°C ab. Ausreichend geheizt ist, nur mit dem Kochen ist es problematisch, da man immer die Belastung des Generators beachten muß. Ich vermute, wir werden die größeren nochmals einschalten müssen. Was ich vermisse, obwohl ich es vorher gewußt habe, ist der Briefkontakt. Die Telegramme muß man doch sehr kurz halten und was man zu erzählen und zu fragen hat, ist meist wesentlich zu lang. Für das nächste Telegramm muß ich mir unbedingt Stichpunkte machen, da man sonst alles vergißt. Strümpfestopfen fällt auch wieder aus, habe zwar Stopfzeug, aber nicht die Strümpfe hier. Unsere Leute haben vom Basisny jede Menge Rosenquarz mitgebracht. Damit habe ich jetzt eine Menge netter kleiner Andenken zum Verschenken. So, Banja und Kaffeetrinken habe ich hinter mir. Das Aufstehen um 12.00 Uhr fiel schwer, aber Duschen und Wäschewaschen waren herrlich. Das Wetter ebenfalls, strahlender Sonnenschein Temperatur über 0°C und Windstille, wenigstens fast. Jetzt kommen wieder die abendlichen Fallwinde und es wird etwas kälter. Der Schnee taut aber trotzdem schnell weg. Ich bin ein bißchen enttäuscht, daß sich vom Betrieb niemand gemeldet hat, schließlich habe ich auch geschrieben. Aber wer weiß, welchen Weg der Brief genommen hat. Das nächste mal schreibe ich an einzelne persönlich. Hans fährt morgen zur Barriere. Hoffentlich dauert es nicht wieder 3 - 4 Wochen. Unsere sowjetischen Freunde ziehen das gern in die Länge, da es extra bezahlt wird. Das nächste mal bin ich dann dran.
Sonntag, 22.11.87 (42)
Heute wurde endlich mal ordentlich gearbeitet. Zum Frühstück gab es nur Kuchen, da wir vergessen hatten, Brot mitzubringen. Vormittags fuhren wir mit der ATT tanken, da der Pochod starten sollte. Das fiel aber ins Wasser, da an einer der sowjetischen Maschinen ein Schaden aufgetreten war. Auf dem Rückweg vom Tanken brachten wir noch einen alten Holzschlitten mit, aus dem wir Unterlagen für die Container gewinnen wollen. Nach der Mittagsruhe und dem anschließenden Kaffeetrinken machten wir den Ölwechsel an dem kleinen Stromaggregat. Dabei lötete ich noch eine undichte Dieselleitung. Am großen Motor ("D") wechselten wir die Einspritzdüsen. Nach dem Abendessen wurde noch Doppelkopf gespielt. Reiner überraschte uns noch mit der Nachricht, daß der neue sowjetische Stationsarzt uns etwas genauer untersuchen will für eine wissenschaftliche Arbeit. Wir haben zugestimmt. Bedauerlicher Weise sind auch Blutentnahmen dabei. Steffen spendierte Rum für die Fertigstellung seiner neuen Meßhütte.
Montag, 23.11.87 (43)
Heute war ein ereignisreicher Tag mit sehr viel Arbeit. Den ganzen Vormittag war ich damit beschäftigt, eine Halterung für die Toplaterne für den Antennenmast zu bauen. Da die Laterne verhältnismäßig schwer ist, mußte die Konstruktion recht stabil sein, also viel zu sägen, zu bohren und zu schweißen. Nach dem Mittagessen holte ich mit Hans und Kurt Produkte. Da wir von der SU-Station nun doch zwei Tankschlitten mit Diesel bekommen sollten, holten Hans und ich nach dem Mittagessen den ersten Schlitten und begannen mit dem Umpumpen in unsere Behälter. In dieser Zeit erledigte ich letzte Arbeiten an der Lampenhalterung. Abendbrot fiel für Hans und mich aus. Wir mussten den leeren Schlitten wieder wegfahren und den zweiten holen. Den werde ich übermorgen umpumpen, wenn sich der Dreck im Tank wieder abgesetzt hat. Bei dem ersten konnten wir darauf leider nicht warten. Heute habe ich auch erfahren, dass die Kammern der Tanks alle miteinander verbunden sind. Damit fallen durch eine defekte Kammer alle drei weiteren mit aus. Da muss unbedingt etwas gemacht werden. Hans will schweißen. Ob das die endgültige Lösung ist, wird sich erst noch zeigen. Jetzt ist es 21.00 Uhr, die Arbeit ist getan und ein Bier wird den Abend beenden.
Dienstag, 24.11.87 (44)
Auch heute gab es wieder sehr viel Arbeit. Vormittags fing ich an, den Traktor vom Schnee zu befreien und gründlich zu untersuchen. Nachdem einige Hebel wieder gangbar gemacht waren und ich festgestellt hatte, dass er voll aufgetankt war, konnte ich mich mit den Funktionen im Trockentraining bekannt machen. Mittags mussten noch die Generatoren umgeschaltet und der Ölwechsel gemacht werden. Dann ging es wieder an den Traktor. Da wir noch Glysantin hatten, konnte ich auch Kühlflüssigkeit ansetzen und auffüllen. Mit einiger Mühe gelang es mir dann nach dem Abendessen, den Anlass- und Vorwärmmotor in Gang zu setzen und auch den Hauptmotor durchdrehen zu lassen. Angesprungen ist er leider noch nicht. Der Anlassmotor blieb dann auch wegen Spritmangels stehen. Offensichtlich ist die Kraftstoffleitung verstopft, ein Fehler, den ich morgen hoffentlich beheben werde. Abends gab es noch einen Film (Frau Warrens Gewerbe) mit Lilly Palmer. War sehr schön.
Mittwoch, 25.11.87 (45)
Heute kann ich mir wirklich ein großes Bienchen anschreiben, schon fast eine Hummel. Der Traktor läuft und alles funktioniert. Es war aber auch eine Sauarbeit. Die Dokumentation stimmte nicht mit dem Fahrzeug überein. Zuerst musste ich zur SU-Station, um mir vom Wasserwagen Benzin abzuzapfen. Bei dieser Gelegenheit habe ich von einem alten Traktor gleich die fehlenden Deckel mitgehen lassen. Dann lief der Anlassmotor, aber die Kupplung zum Hauptmotor funktionierte nicht. Also aufmachen und nachstellen. Dann drehte der Hauptmotor mit, sprang aber nicht an. Nach Überprüfung und Instandsetzung der Einspritzanlage lief dann endlich der Diesel und ich konnte den ersten Fahrversuch machen. Die Raupe lief, aber nur geradeaus. Nach langwieriger Fehlersuche ohne passende Unterlagen wurde auch das Problem gelöst und ich konnte eine richtige Probefahrt machen. Mittagessen fiel dadurch heute aus, aber das war mir die Sache wert. War eben doch nicht alles umsonst, was man gelernt hat. Ich war doch ein bisschen Stolz, als alles lief. Jetzt werden wir gleich Abendbrot essen und anschließend duschen und Wäsche waschen. Morgen muss ich dann noch den Rest zusammenbauen und ein paar Kleinigkeiten an der E-Anlage reparieren.
Donnerstag, 26.11.87 (46)
Heute habe ich die Arbeiten am Traktor im Wesentlichen beendet. Es ist wieder alles zusammengebaut, die E-Anlage ist repariert, der abgerissene Scheinwerfer ist auch wieder dran. Es fehlt noch die Halterung für die Batterie, aber da habe ich noch nicht das passende Material gefunden. Mich hatte doch regelrecht die Arbeitswut gepackt, die Arbeit macht Spaß und es redet mir keiner rein. Reiner. Frey ist ein absolut fauler Hund, hat von nichts eine Ahnung und ist selbst zum Abwaschen zu dämlich, bloß da drückt er sich auch. Wenn er als unser Stationsleiter mit dem SU-Stationsleiter was klären soll, scheißt er sich schon vorher vor Angst in die Hosen. Wir wollten zum Beispiel geklärt haben, warum wir der SU-Station unseren Ölverbrauch melden sollen, da es doch unser eigenes Öl ist und wir vermuten, dass es uns trotzdem in Rechnung gestellt wird. Bis heute ist das nicht geklärt. Nach Reiners Meinung lassen wir es so bis März, bis die alten Leute von der 32. SAE abgereist sind. Uns ist sein Standpunkt klar, denn er reist dann auch ab und wir haben alles auf dem Hals. Ansonsten haben wir unseren 30-m-Antennenmast weiter aufgebaut und ich habe mit dem Traktor ein Fass Benzin aus der SU-Station geholt. Hat viel Spaß gemacht. Das Wetter ist überwiegend herrlich, in der Sonne +14°C. Dort, wo in der Oase starke Verdunstung auftritt, bilden sich kleine ortsfeste Wölkchen, so auch über unserem Abwasser- und Pisshaufen.
Freitag, 27.11.87 (47)
Heute ist saumäßiges Wetter. Günther musste nachts raus, um mit Molo den Mast nachzuspannen. Vormittags sind beide noch rumgelaufen, um Kleinteile für den Mast, d. h. für die Verspannung zu besorgen. Ich habe angefangen, den Diesel aus dem Tankschlitten in unsere Tanks zu pumpen, bei dem Wetter keine angenehme Arbeit. Nachmittags gab es dann noch Schnee und ich war der einzige, der noch draußen gearbeitet hat. Während des Umpumpens habe ich noch eine Proberunde mit Traktor und Geomobil gedreht. Ging sehr gut. Vormittags hatte ich noch eine Probe Antifreeze aus der SU-Station besorgt. Dauerte 10 Minuten, Reiner hatte es in mehreren Tagen nicht geschafft. Der Mischungsversuch mit Glysantin verlief positiv. Auch beim Erhitzen keine Reaktionen. Wir können also Glysantin benutzen und es auch mit Antifreeze mischen. Es scheint alles das Gleiche zu sein, nur mit anderem Namen. Ansonsten gab es noch einen kleinen Brand im Chemiecontainer durch erwärmtes Wachs. Der Brand hatte zum Glück keine größeren Folgen. Feuer in der Station wäre fatal, da alles völlig trocken ist und wie Zunder brennen würde.
Sonnabend, 28.11.87 (48)
Der Sonnabend war auch wieder sehr ereignisreich und anstrengend. Hans kam morgens gegen 7.00 Uhr vom Pochod zurück und brachte die zweite Raupe mit. Er war ganz offensichtlich stinksauer, dass die andere bereits fertig war und lief. Angeblich wollte er sie mit mir zusammen in Gang bringen. Dass das Ding bereits ein Jahr rumstand, hatte er dabei allerdings vergessen. Zum Glück sind die anderen meiner Meinung. Vormittags ging er in die Banja und bis zum Mittagessen hatte ich die zweite auch fahrfertig. Bedauerlicher Weise hatten die Kollegen bei der Generalreparatur die Zündkabel im Schutzrohr direkt auf dem Auspuff verlegt. Das Ergebnis war, dass ein Kabel weggeschmolzen war. Das habe ich dann nachmittags ausgewechselt und auch noch die Lenkbremsen eingestellt. Außerdem wurde unser 30-m-Antenenmast fertig aufgebaut. Beim Ausfahren des letzten Gliedes fing er an zu kippen. Zum Glück wurde er unbeschädigt von den Halteseilen abgefangen. Jetzt steht er zum unbeschädigt. Es hätte leicht schief gehen können.. Das Abendessen fiel heute zum gewohnten Zeitpunkt aus. Es ist jetzt 21.00 Uhr und das Essen wird gerade zubereitet. Viel wird also nicht mehr passieren. Gestern habe ich noch ein Telegramm abgeschickt mit Adventsgrüßen. Vielleicht ist es heute schon angekommen. Über die Telegramme führe ich genau Buch, um die Summen kontrollieren zu können.
Sonntag, 29.11.87 (49)
Sonntag und erster Advent ist natürlich etwas besonderes, d.h. es wurde Kuchen gebacken und schön Kaffee getrunken. Die Arbeit kam natürlich auch nicht zu kurz. Vormittags bauten wir bei sehr unangenehmen kaltem Wind an den Antennenhalterungen. Dabei musste ich in etwa 3 m Höhe an einer von 4 Seilen gehaltenen freistehenden Leitern gearbeitet werden. Hans als Stahlbauschlosser und Spezialist für solche Dinge hat das sehr gut gemacht. Nachmittags habe ich für einen Akku eine Tragevorrichtung gebaut und versucht, den Anlassmotor der zweiten Raupe in Gang zu setzen, was mir aber nicht richtig gelang. Auch das Reinigen des Vergasers brachte keinen Erfolg. Jetzt hängt die Batterie am Ladegerät und morgen werde ich noch mal alles überprüfen und auch mal die Kerzen des anderen Motors probieren. Irgendwie wird es schon klappen. Heute kam auch kein Telegramm, aber am Dienstag etwa müsste doch wieder eins kommen. Man wartet doch immer ganz schön darauf.
Montag, 30.11.87 (50)
Ein halbes Hundert sind voll. Mir kommt es manchmal vor, als wenn ich schon ewig hier bin. Alles geht seinen gewohnten Gang, nur Arbeit geht es genug. Bei den Teilnehmern der 32.SAE herrscht so etwa die Meinung vor, alles recht langsam anzugehen und etwas dem Selbstlauf zu überlassen. Wenn man sich umsieht, sieht es auch dementsprechend aus. Ich fühle mich ehrlich gesagt nur wohl, wenn ich hier was zu tun habe. Heute Vormittag habe ich mit der frisch geladenen Batterie an dem zweiten Anlassmotor weiter probiert. Der Vergaser hat eine echte Macke, aber ich habe ihn überlistet und alles zum Laufen bekommen. Wenn mal mehr Zeit ist, müsste man sich noch mal intensiv damit beschäftigen. Das kann ich aber nur, wenn Hans nicht da ist. Sonst habe ich keine Ruhe. Morgen soll unser Wohncontainer an seinen neuen Platz gezogen werden. Wir haben die Fahrstrecke besichtigt, die hat es in sich. Unsere Sachen haben wir bereits in eine Kiste verpackt, Schnaps und Fotoapparat sind in der Tasche und werden rausgenommen, falls was passiert. Den SU-Kollegen konnten wir mit einem MTLB-Kettenrad aushelfen. Sie waren wirklich froh. Wir taten es gern, da auch sie immer sehr hilfsbereit sind. Die Zusammenarbeit klappt immer bestens und auch die Verständigung ist kein wirkliches Problem, wenn beide Seiten guten Willens sind. Ich bin gern mit ihnen zusammen. Zusammen mit Hans besichtigte ich das sowjetische Wohnmobil, das als Unterkunft für die Schlittenzüge dient. Es ist ein einziges Dreckloch. Darin bis zu 6 Wochen zu wohnen, ist keine Freude. Vielleicht wird aber vor einem Pochod etwas aufgeräumt. Unsere Leute von der 32.SAE baten heute darum, 2 bis 3 Tage zum nächsten Nunatak (Basisny) fahren zu dürfen, da sie bisher keine Gelegenheit hatten, größere Touren zu unternehmen. Reiner hat sich wieder gewunden wie ein Aal und hat sich nur nach massivem Druck zu der Entscheidung durchgerungen, sie fahren zu lassen unter der Voraussetzung, dass in den nächsten Tagen kein Pochod zu Küste losgeht. An dem muss ich dann übrigens als Fahrer teilnehmen. Auch bei den Diskussionen der SU-Station gegenüber scheint er kein Kreuz zu haben, sondern den Arsch an der Strippe zu tragen, wie man so schön sagt. Für morgen rechne ich übrigens mit einem Telegramm. Ich werde das Gefühl nicht los, dass doch wieder eins auf der Strecke geblieben ist. Ich muss mir langsam auch Stichpunkte für den nächsten Brief machen, da man sonst zuviel vergisst. Als Erlebnisbericht werde ich die ersten Tagebuchbände mitgeben. Abends sehe ich auch oft die paar Bilder von zu hause an. Man hätte viel mehr einpacken sollen. Ich merke auch, dass ich noch sehr viel zu verarbeiten habe. Die letzten 2 bis 3 Jahre waren doch etwas sehr viel. Vielleicht ist es nach dieser Zeit wieder besser. Ich hoffe nur, dass Ingrid alles gut und ohne Schaden übersteht. Da Steffen in dieser Woche Nachtdienst hat, habe ich abends eher die Möglichkeit, mich zurückzuziehen und in Ruhe zu schreiben und die Gedanken zu ordnen. Ich empfinde das als sehr angenehm, da man im Herrencontainer dazu keine Gelegenheit hat. Das wird von den Überwinterern auch bestätigt. Generell finden sie die Unterbringung in Einzelzimmern besser, da jeder seine Intimsphäre benötigt, die sonst kaum gegeben ist. Die Gefahr von Absonderung und Vereinsamung wird dadurch keinesfalls erhöht. Das sind interessante Erfahrungen, über die man zu hause wahrscheinlich anders gedacht hat. So, zwei Seiten sind voll, das reicht.
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