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Dienstag, 1.12.87 (51)
Es ist 23.35 Uhr und es fällt heute besonders schwer, sich noch hinzusetzen und zu schreiben. Dabei war es ein harter aber auch sehr erfreulicher Tag. Erst einmal kam wie erhofft ein Telegramm aus der Heimat. Ich bin wirklich sehr dankbar, daß die Antworten so schnell kommen. Ich hätte früher nie geglaubt, wie sehr man sich über ein paar Worte freuen kann. Aber nun zurück zum heutigen Tag. Vormittags wurde unserer Wohncontainer versetzt. Ich wohne mit Steffen jetzt ca. 300 m weg von der eigentlichen Station in der Nähe seiner Messhütte. Man hat hier sehr viel Ruhe und man hört auch nicht die Dieselmotoren. Die haben mich manchmal nachts gestört, insbesondere Aggregat D, da es nicht sauber läuft. Nach dem Mittagessen fuhr ich mit Hans zum Flugplatz, um Kerosinfässer abzuliefern. Das war meine erste eigene Fahrt mit der ATT. Ging sehr gut. Dort angekommen mussten wir abladen und auch wieder leere Fässer aufladen. Zwischendurch gab es Kaffee in der fahrbaren Unterkunft, die auch für den Pochod genutzt wird. Kaffee wurde aus Marmeladengläsern getrunken, die auch nicht sauber waren. Da wir aber selbst entsprechend aussahen, störte es nicht. Der Kaffee war aber sehr gut. Auf dem Rückweg fuhr Hans die zweite Hälfte. Auf dieser Strecke ging es bergab auf blankem Eis. Der Schlitten stieß ständig hinten an, da er nur mit einem Stahlseil befestigt war. Zu zweit schafft man es eben nicht, ihn mit der Deichsel fest anzukoppeln. Wir nahmen dann das Seil doppelt, da es sich bereits einmal in der Kette verhakt hatte. Ein Stück weiter überholte uns plötzlich der Schlitten und verschwand ziemlich schnell in der Ferne. Ein schlecht gesicherter Schekelbolzen hatte sich gelöst. Nach etwa 1 km oder etwas weiter fanden wir ihn wieder. Nach dem Ankoppeln blieb dann der Motor stehen, der Tank war leer (ca. 1000 l). Nach Umschalten auf den Reservetank und Entlüften der Kraftstoffleitung ging es weiter. 18.55 Uhr waren wir zu hause, d. h. in der sowjetischen Station. Dann mussten wir noch tanken, einen weiteren Schlitten in die Oase ziehen, einen leeren Tankschlitten rausfahren und einen Kettenbolzen wechseln. Dafür gab es bei uns ein hervorragendes Abendessen: Schweinsmedaillons mit Kartoffelpüree, Erbsen, Zwiebeln, und Kräuterbutter. Es war so viel, dass Fleisch übrig blieb. Ich gab noch einen Pfefferminzlikör auf meine erste Fahrt aus und half beim Abwaschen. Es ist jetzt 5 vor 12, ich habe auch die Schränke nach dem Umzug wieder eingeräumt und es ist jetzt an der Zeit, schlafen zu gehen.
Mittwoch, 2.12.87 (52)
Heute war wieder Wasch- und Duschtag. Leider war mittags das Wasser recht kühl. Vielleicht sollten wir diese Aktivitäten doch auf die Zeit nach dem Abendessen verlegen. Gerade ist die Glühlampe kaputtgegangen, aber es ist auch so hell genug. Vormittags fuhren die 4 Mann Richtung Basisny ab. Dadurch haben wir wieder etwas Ruhe. Sonst gab es vor dem Mittagessen kaum etwas Wesentliches. Nach dem Mittagessen fuhr ich mit der Raupe auf den Berg, wo unser Wäschelager steht. Wir mussten es ca. 1 m verschieben, um Platz für die Mastabspannung zu schaffen. Ging alles prima. Morgen muss ich mich mit dem Batterieumschalter an Aggregat C beschäftigen. Da funktioniert etwas nicht, d. h., er schaltet nur im aufgeschraubten Zustand. Hans wollte da wieder nicht rann. Da er jetzt weg ist, habe ich wieder 1 Tag freie Hand. Heute Abend sahen wir noch den DDR-Film "Die Flucht" mit Armin Mueller Stahl. War recht interessant. Ansonsten soll am Sonnabend der nächste Pochod losgehen, an dem ich teilnehmen soll. Heute schon angefangen, mir russische Vokabeln rauszuschreiben, hauptsächlich auch technische Dinge. Wird schon alles klargehen. Ich glaube, dass ich während der Fahrt anfangen werde zu rauchen. Mit Sicherheit aber nur während der Fahrt und auch nur, um wachzubleiben, wenn es stundenlang nur geradeaus geht
Donnerstag, 3.12.87 (53)
Es ist ziemlich schwierig, für jeden neuen Tag einen passenden Anfang für die Tagebucheintragungen zu finden. Heute war wieder einiges los. Wir hatten uns immer über das helle Licht in unserer umgestellten Hütte gefreut. Heute sind wir durch einen dummen Zufall hinter die reichlich gefährliche Ursache gekommen. Eine Heizung hatte sich in der Nacht verabschiedet, desgleichen die Deckenbeleuchtung. Beim Einschrauben einer neuen Glühlampe brannte die auch gleich durch. Beim Durchprüfen der Anlage stellte sich heraus, dass Phase und Nulleiter im Zuleitungskabel vertauscht waren, d. h. alle genullten Teile standen unter Spannung und in der Steckdose hatten wir knapp 380 V. Zum Glück ist hier alles trocken und leitet nicht, sonst hätte es schief gehen können. Telefon haben wir jetzt auch und werden natürlich jetzt auch telefonisch geweckt. Mittags bekam ich 3 Telegramme von zu hause. Eins war allerdings die Zweitschrift des Telegramms vom 1.12.87. Die beiden anderen enthalten eine sehr genaue Einschätzung der Bilder, die ich bisher fotografiert hatte. Damit habe ich jetzt die Möglichkeit, einige Dinge noch zu verbessern. Ingrid hat sich sehr viel Mühe gegeben. Morgen werde ich ihr antworten. Vormittags habe ich noch den Batterieumschalter repariert, nachmittags zwei alte aufgearbeitet, damit wieder Ersatz da ist. Weiterhin 4 Einspritzdüsen gesäubert und neu eingestellt und einen Ölwechsel gemacht. Wenn ich allein bin, macht das Arbeiten mehr Spaß und ich kann hintereinanderweg arbeiten und brauche auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Mit Reiner habe ich dann noch die Endpunkte für die Antennenanlage vermessen, d. h., ich habe die Meßlatte gehalten. Er hat aber offensichtlich ganz schöne Schwierigkeiten. Um 21.00 Uhr habe ich mich zurückgezogen. Ich will noch ein paar russische Vokabeln rausschreiben und ein paar technische Dinge nachlesen.
Freitag, 4.12.87 (54)
Morgen früh soll es losgehen. Um ca. 9.00 Uhr startet der Pochod zur Küste, mit dem ich mitfahren soll. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, aber es hält sich in Grenzen. Vormittags habe ich an dem Stromaggregat rumgebastelt, das hinter der DES steht. Es diente hauptsächlich als Ersatzteilspender, aber wir wollen es wieder als Reserveaggregat aufbauen. Zuerst habe ich jede Menge Holz zu Seite gestapelt und dann alles vom Schnee befreit, um erst mal alle Seitenklappen öffnen zu können. Dann musste der Schnee von innen ausgeräumt werden. Leider lässt sich die Kurbelwelle nicht durchdrehen. Unter Umständen sind die Kolbenringe festgerostet. Ich habe erste einmal die Einspritzdüsen ausgebaut und Anti-Rostspray reingesprüht. Da es sich aber um einen Vorkammermotor handelt, bin ich mir nicht sicher, ob es auch dahin gekommen ist, wo es hin sollte. Wenn ich zurückkomme, werde ich alle Verkleidungen abnehmen und die Zylinderköpfe runternehmen. Ich glaube nicht, dass Hans inzwischen weitermacht. In der nächsten Woche müssen auch unser Container und Steffens Messhütte richtig hingestellt werden. Z. T. bin ich froh, dass ich nicht hier bin, denn es wird sicher darüber einige Diskussionen geben. Ich hoffe nur, dass alles erledigt ist, wenn ich zurückkomme, denn lange kann man mit der Raupe nicht mehr über den Schnee auf den Berg fahren. Mittags kamen die Jungs vom Basisny zurück. Ich fuhr dann mit der ATT tanken (zusammen mit Hans) und nachmittags alleine zum Beladen. Beim Beladen musste ich rückwärts an den Kran ran und bin gleich über eine steile Wehe an die richtige Stelle gefahren. Ist bei den sowjetischen Kollegen gut angekommen. Jetzt bin ich beim Packen. Ich hoffe nur, dass ich auch die indische Station besuchen und dort telefonieren kann. Heute habe ich auch ein Telegramm an Ingrid mit der Bemerkung, dass ich bald zur Küste fahre. Dass bald schon morgen ist, dürfte für Sie egal sein. Für die Fahrt nehme ich mein Zweittagebuch für Notizen mit. Anschließend erfolgt dann die Reinschrift.
Sonnabend, 5.12.87 (55)
Heute geht es los. Zum Frühstück gab es für mich eine Überraschung. Steffen hatte für mich mit Schokolade auf einen Teller Glückwünsche für den 1. Pochod geschrieben. Vom Nikolaus gab es auch ein Päckchen mit auf den Weg. Vor der Abfahrt wurde schnell noch ein Kettenbolzen gewechselt und um 10.15 ging es dann los. Ich hatte mit meiner 18 (Nummer der Zugmaschine) zwei Walakuschen zu ziehen. Das sind ganz flache Schlitten, die schlecht laufen. Zum Anfang ging es noch, dann lief die Maschine immer schlechter und rußte auf einer Seite sehr stark. Beim Halt kam Serjoscha, ein Spezialist für die Fahrzeuge, und suchte den Fehler. Der Luftfilter war auf einer Seite völlig zu. Später stellte sich heraus, dass es bei Hans dort mal gebrannt hatte und dabei war das Filterpaket zusammengeschmolzen. Nach der Reparatur lief die Maschine wieder wie eine Biene und ich war wirklich erleichtert. Mittags gab es Gulasch, Nudeln, Zwiebeln, Gurken, Brot, Marmelade und Kaffee. Was die Sauberkeit angeht, muss man ein paar Abstriche machen, aber man gewöhnt sich daran. Ist halt ein bisschen wie Camping. Serjoscha stellte an meiner Maschine noch die Schaltung etwas nach, dann ging es weiter. Da Wetter ist herrlich. Bei mir fährt der Funker mit, später eine Weile Serjoscha, dann fahre ich allein. Es ist zwar anstrengend, es macht aber Spaß. Das Fahren eines Pochods ist sicher immer wieder ein Höhepunkt im Expeditionsalltag. Das Fahren hat seine Eigenheiten. Es sind zwar nur etwa 90 bis 100 Kilometer bis zur Barriere, dem Punkt an der Küste, bis zu dem im Sommer das Meereis auftaut. Dort liegen alle die Dinge, die vom Schiff im Februar abgeladen wurden und die noch nicht zur Oase gebracht wurden. Das Fahren selbst läuft so ab, dass man je nach Belastung den ersten oder zweiten Gang einlegt, mit dem Handgas 1700 Umdrehungen pro Minute einstellt und dann nur noch darauf achtet, dass man in der Spur bleibt. Bei gutem Wetter ist das zwar langweilig, aber außer der Müdigkeit nach einigen Stunden gibt es keine Probleme. Bei schlechtem Wetter (Schneesturm) fährt man mit offener Windschutzscheibe, da man ansonsten nichts sehen kann. Die Fahrerei ist dann ziemlich hart, aber es ist die einzige Möglichkeit weiterzukommen. Angehalten wird nur selten, gepinkelt wird während der Fahrt vom Trittbrett. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber es geht ganz gut. Man muss auch manchmal während der Fahrt rausklettern, um die Motorhaube zu öffnen, wenn bei warmen Wetter und hoher Belastung die Kühlwasser- oder Öltemperatur zu stark steigt.
Sonntag, 6.12.87 (56)
Nach einem ausgezeichneten Frühstück geht es weiter. Wir fahren bis zu der Stelle, wo sich der Weg Richtung neue und alte Barriere verzweigt. Wir lassen eine Walakusche stehen und fahren weiter zur neuen Barriere. Dort ist es einfach unbeschreiblich schön. Es ist noch alles sauber, riesige Eisberge sind zu sehen und ein Wetter wie aus dem Bilderbuch. Wir beginnen erst einmal mit Abladearbeiten. Beim Mittagessen helfe ich dem Doktor, der auch unser Koch ist, und mache Kartoffelpüree. Es wird sehr gut. Nach dem Mittagessen machen der Doktor, Andrej und ich eine Fotoexkursion auf dem Meereis zu den Eisbergen. Andrej ist als Fotokorrespondent in der Antarktis unterwegs und war mit einem MTLB zur Barriere gefahren zusammen mit zwei weiteren Kollegen aus der Station, die einiges für die Ankunft der Schiffe vorzubereiten haben. Die Exkursion war einzigartig. Wir waren 4 bis 5 Stunden unterwegs. Konnte auch eine Robbe fotografieren, die auf dem Eis lag. Anscheinend war sie nicht ganz in Ordnung (das war sicher eine fehlerhafte Annahme, sie kannte nur keine Menschen und damit hatte sie keinerlei Furcht). Die Eisberge sahen aus der Nähe noch viel gewaltiger aus. Man kann es nicht beschreiben. Ich hoffe nur, dass die Bilder gut geworden sind. Ingrids Hinweise habe ich berücksichtigt. Außerdem fotografieren wir hier nur bei tiefstehender Mitternachtssonne. Auf dem Rückweg mussten wir dann auf allen Vieren den Gletscher hoch.
Montag, 7.12.87 (57)
Heute war es ein arbeitsreicher Tag. Als erstes wurden die ATT 18 und die ATT 10 mit Fässern beladen. Anatoli bediente den Kran, der Doktor hängte die Fässer an und ich stapelte auf den Fahrzeugen. Es machte wirklich Spaß. Weiterhin wurden die Tankschlitten aus den Zisternen betankt, jeder Schlitten mit 13.000 l Diesel. Zwischendurch half ich, die Pumpe zu reparieren, die den Geist aufgegeben hatte. Einen Kettenbolzen musste ich an der 18 auch noch wechseln, er war innen abgebrochen. Das Essen ist weiterhin gut, es gibt auch jede Menge Kaffee. Wir essen aus Blechschüsseln und trinken aus Blechbechern, aber das macht nichts. Schlafen tue ich auch ganz prima. Ich lese im Moment "Die Heiden von Kummerow", ein wunderschönes Buch.
Dienstag, 8.12.87 (58)
Ich habe lange und gut geschlafen. Morgens steht der Funker um 9.00 Uhr auf, um seine Meldung durchzugeben. Wir sind um 9.30 Uhr dran. Dann wird ausgiebig gefrühstückt und Kaffee getrunken. Um 11.00 Uhr geht die Arbeit los. Ca. 14.00 Uhr gibt es wieder was zu essen und dann wieder um 18.00 Uhr. Nach dem Frühstück war Abfahrt von der neuen Barriere. Ich hatte an der 18 zwei Tankschlitten. Wir fuhren bis zur Kreuzung, an der wir die Walakusche gelassen hatten. Von der neuen Barriere hatten wir auch den Kran mitgenommen. An der Weggabelung zur alten Barriere nahmen wir auch noch eine dort stehende Raupe auf die 2. Walakusche und fuhren dann weiter Richtung alte Barriere. Die 18 mit den zwei Tankschlitten ließen wir zurück. Ich fuhr mit dem Wohnmobil mit, und zwar zusammen mit Serjoscha auf dem Dach, da das Wetter sehr schön war. Es ist üblich und auch notwendig, während der Fahrt auf den Maschinen rumzuklettern. Die fahren auch allein geradeaus. Ich verstehe die Truppe immer besser und wir kommen ganz prima miteinander klar. Um 19.00 Uhr kamen wir an der alten Barriere an. Es sieht dort alles recht mistig und verkommen aus, aber dafür gibt es viele Pinguine, die zwischen den alten Fässer und auf dem Müll brüten. Es gibt aufgrund der Wetterlage viele Spiegelungen und so sehe ich die in etlichen Kilometern Entfernung liegende indische Station als Fata Morgana. Es war sehr beeindruckend. Eine Möwe, die auf einem kleinen Hügel saß, sah so groß aus wie ein Geier. Wieder wurde viel fotografiert, es ging bis 24.00 Uhr.
Mittwoch, 9.12.87 (59)
Wieder gibt es Verladearbeiten, diesmal hauptsächlich Bleche und den Planierschild für unsere Raupe. Zu hause wäre die hier angewendete Arbeitsweise aus Arbeitsschutzgründen sicher verboten, aber ich passe gut auf. Man kann von den sowjetischen Kollegen bestimmt eine Menge lernen, aber manchmal wäre es besser, sie würden erst einmal ein bisschen nachdenken, ehe sie es mit Gewalt versuchen und dabei immer wieder Schaden anrichten. Abends las ich mein Buch weiter.
Donnerstag, 10.12.87 (60)
Das war heute nicht mein Tag. Es wurden wieder Ölfässer verladen und vorher musste erst einmal festgestellt werden, welche Ölsorte drin war. Die Beschriftung war abgerostet. Durch die Sonneneinstrahlung standen sie auch ganz schön unter Druck. Beim Öffnen schoss dann auch gleich Öl raus und etwas bekam ich auch ab. Von da an war ich dann sehr vorsichtig und hielt mich etwas abseits. Ich hatte nur nicht berücksichtigt, dass Serjoscha mit der Raupe versehentlich auf ein Fass fuhr und das regelrecht explodierte. Ich sah aus wie eine Ölsardine. Wir lagen alle flach vor lachen. Mit zwei Eimern Benzin habe ich dann meine Sachen ausgewaschen. Ich hatte noch Wäsche zum Wechseln mit und Alex gab mir noch eine Arbeitsjacke. Nachmittags kam Andrej mit dem MTLB von der neuen Barriere. Er blieb und der Doktor fuhr dafür mit zurück.
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