09.02.88 (121)

Der heutige Tag war wieder angefüllt mit Aufräumungsarbeiten. Nachmittags fuhren wir den Dreck weg einschließlich der von uns selbst produzierten Rückstände, also ein sogenannter Scheiße-Pochod. Nach dem Abendessen gab es noch eine indische Invasion, die aber nur eine halbe Stunde dauerte. Eben habe ich gerade noch einen Kuchen gebacken, diesmal aus normalem Mehl mit Backpulver. Mal sehen, wie er geworden ist. So vergeht wenigstens die Zeit. Das Kuchenbacken erinnert mich so an die Zeit zu hause, als solche Kuchen noch an der Tagesordnung waren und ich oft bei Backen als Kind zugesehen habe. Es ist komisch, was einem so alles wieder einfällt.
Es ist jetzt sowieso an der Zeit, wo ich gern mal eine Weile mit meinen Gedanken allein bin. Somit kommt es mir sehr entgegen, daß ich z. Zt. Noch außerhalb der Station wohne. Telegramme kommen nicht. Ich hatte gehofft, daß Ingrid eins aus Suderode schickt.
Das Schifft kommt auch zügig vorwärts und dürfte morgen eventuell den Äquator erreichen. Langsam wird man ungeduldig und wartet auf Post.

10.02.88 (122)

Der Sommer geht mit Macht zu Ende. Es ist noch nicht übermäßig kalt, aber immerhin durchgängig Frost und es weht ein unangenehmer Wind. Heute war der erste große Inventurtag. Das Ergebnis war teils gut (die Dinge, die in der DES sind) und teils schlecht(für die 75-KW-Aggregate, die seit Jahren im Container stehen). Auf jeden Fall muss im Winter was gemacht werden. Zuerst einmal ein Programm für den Rechner, denn per Hand geht das alles nicht mehr. Insbesondere für die Bestandsaufnahme für die Gesamtstation ist saumäßig.
Wir haben heute auch noch eine große Durchsicht am zweiten 38-KVA-Aggregat gemacht. Hans hat im Moment wenig Lust, noch irgend etwas anzufangen. Offensichtlich drückt das Heimweh wieder. Ist ja auch verständlich nach dieser langen Zeit.
Heute ist wieder Kino aber ich habe dazu überhaupt keine Lust. Ich werde noch eine Werkzeugtasche reparieren, d. h. nähen, die ich dann von Hans übernehmen werde. Außerdem wird es Zeit, an den Brief zu denken, den ich Wassja mitgeben will.
Im nächsten Telegramm werde ich Ingrid auch was zum Auto schreiben. Es wird wohl besser sein, es nun doch mal warmlaufen zu lassen. Ingrid wird das schon schaffen. Außerdem kann sie Horst fragen.
Um unsere defekte Containerheizung müssen wir uns auch langsam kümmern, es sind jetzt gerade noch 10°C im Zimmer. Es muss aber sehr gut isoliert sein, denn die Heizung, die noch geht, ist nur lauwarm.
Einen Beitrag fürs Brigadebuch, den ich mit nach hause schicken will, muss ich auch noch schreiben und ein paar Bilder machen.

11.02.88 (123)

Das Wetter bleibt schlecht, trübe und windig. Unsere Jungs dürften heute den Äquator überquert haben. Ein Glückwunschtelegramm wurde auf die Reise geschickt.
Die Inventur ist auch überstanden. Es ging alles halbwegs gut. Abends habe ich die Änderungen in den Computer getippt, es bleibt noch eine Seite Nachträge.
Die Zeit wird immer knapper für die Sachen, die noch zu erledigen sind. Langsam muss ich mir einen Arbeitsplan machen.
Heute haben wir noch lange über den Dienst in der Station und über etliche technische Fragen diskutiert. Für andere Arbeiten blieb keine Zeit.
Reiner will noch einen Nunatak besuchen, um dort zu messen. Da das nicht unbedingt erforderlich ist, sind Günther und ich dagegen. Hans muss erst das Geomobil fertigmachen, hat aber offensichtlich keine Lust mehr. Wir müssen auch noch zum Domik, um die kleinen Stromaggregate reinzuholen und um dort aufzuräumen. Das ist auf jeden Fall wichtiger und muss noch vor dem Pochod erledigt werden. Reiner diskutiert auch nicht mehr offen, sondern versucht es offensichtlich hinten herum.


12.02.88 (124)

Heute kam wieder ein Telegramm von Ingrid. Habe mich darüber ganz doll gefreut, besonders darüber, dass die Gasheizung bei Gundlachs endlich eingebaut ist. Dadurch hat Ingrid doch weniger Arbeit. Da der Winter nicht sehr kalt ist, muss auch das Zimmer nicht so oft geheizt werden. Ich habe auch ein Glückwunschtelegramm an Gundlachs geschickt. Ich hoffe nur, sie freuen sich.
Heute Vormittag habe ich die Mastleuchten fertiggebaut einschließlich Verkabelung. Dass ich auch was elektrisches machen durfte, hat mich gewundert, aber auch gefreut. Offensichtlich hat sich herumgesprochen, dass ich auch auf vielen Gebieten was kann. Nachmittags habe ich Hans noch beim Toilettenbau unterstützt.
Mit Reiner gab es eine Diskussion wegen der Fahrt zum Nunatak. Er sprach mich allein an und wollte offensichtlich überreden. Ich habe ihm deutlich gesagt, dass erst alle Arbeiten erledigt sein müssen und auch die Aggregate vom Dommik abgeholt werden müssen. Erst danach ist an andere Dinge zu denken. Außerdem stellte ich klar, dass ich solche Gespräche dann nur mit allen am Tisch führe und nicht unter vier Augen. Er hat ganz schön dumm geguckt.
Jetzt sitze ich im Container und schreibe, anschließend muss ich noch stopfen und nähen.
Die Inventurliste ist im Computer und muss nur noch gedruckt werden, dann erfolgt auch die Übergabe der DES. Dann ist auch das überstanden.

13.02.88 (125)

Eigentlich wollte ich die heutigen Tagebucheintragungen mit einem freudigen "Ausruf" beginnen, aber das Datum ist dafür sicher nicht angetan. Den ganzen Tag gab es viel Hektik und Arbeit, so dass keine Zeit zur Besinnung blieb. Heute wäre ja eigentlich der Geburtstag meines Vaters und auch jetzt, 3 Jahre später, fällt es mir schwer, gefasst zu bleiben. Es gelingt mir sicher nur, weil ich nur noch ein paar Minuten allein bin.
Heute Abend drängelte Hans ganz fürchterlich, dass ich die Inventurliste drucken solle. Ich wusste erst nicht, warum er es so eilig hatte, aber es sollte eine kleine Feier geben mit unseren Rotweinresten. Ich habe das also gemacht und nun gehören die Büffel mir einschließlich der DES-Tasche (DES - Diesel-Elektro-Station), die ich in den letzten Tagen repariert habe. Ich bin froh, dass nun endlich klare Verhältnisse herrschen.
Heute Vormittag haben wir an der Toilette vom Geomobil weitergearbeitet. Auf dem Schrottberg haben wir noch eine prima Tür gefunden. Dann habe ich mir das Stromaggregat vom Geomobil vorgenommen. Alles voll Rost und Eis. Vergaser, Tank und Leitungen habe ich demontiert, überdrehte Gewinde nachgeschnitten, Teile ausgewechselt. Auch die E-Anlage hatte Macken. Da ich nicht zum Abendbrot ging, wurde noch alles fertig. Nebenbei habe ich noch Buttercreme gemacht und die Torte gebacken. Kein Wunder, dass keine Zeit blieb, über andere Dinge nachzudenken.
Ich weiß nicht, ob ich schon erwähnt habe, aus Sprit, Zucker und Wacholderbeeren habe ich Gin gemacht. Durch die Beeren sieht es zwar eher aus wie eine Urinprobe, aber es schmeckt.
Heute sind auch noch zwei Telegramme weggegangen, eins an Ingrid, eins an Gundlachs. An Mutti muss ich auch noch mal eins schreiben, sie kommt sonst wirklich zu kurz und das wäre nicht in Ordnung. Eigentlich weiß man nicht so recht, was man telegrafieren soll. Was für uns hier wesentlich ist, hat dort kaum Bedeutung oder es ist zu lang zum Telegrafieren. Aber dafür gibt es ja das Tagebuch.
Ich glaube, für heute reicht es auch. Außer tiefgehenden allgemeinen Betrachtungen bringe ich kaum noch was aus der Feder.
Eine Sache fällt mir noch ein. Heute früh fing Reiner an, über seine Absichten bezüglich des Nunatak 870 zu sprechen. Es gab eine ziemlich böse Diskussion mit dem Ergebnis, dass erst die Vorarbeiten für den Pochod und der Ausbau des Geomobil beendet sein müssen. Reiner musste etliche Dinge bezüglich seiner Leitungstätigkeit einstecken und ich habe da kräftig meine Meinung gesagt, da der Transport letztlich an mir hängen bleibt. Seit diesem Moment haut auch Hans wieder kräftig rein. Auf jeden Fall ist jetzt klargestellt, dass ich nicht mit Reiner mitfahre. Ich habe dann wenigstens freie Hand zum Arbeiten. Reiner hat übrigens auch "geholfen", 3 Schrauben reingedreht, davon 2 abgebrochen.

14.02.88 (126)

Eigentlich wollte ich heute endlich anfangen, den Brief an Ingrid zu schreiben, aber ist bereits wieder 22.00 und zweitens habe ich schon den ganzen Tag Kopfschmerzen, zwar nicht sehr doll, aber unangenehm. Müde bin ich auch, den die Arbeit wird nicht weniger. Um 9.00 Uhr musste ich schon in der SU-Station sein, um mit dem Tischler Leisten zuzuschneiden. Anschließend ein paar Kleinigkeiten in der Station, dann die Buttercremetorte für den Nachmittag fertiggemacht. Am Nachmittag dann der erste Versuch, einen neuen Mast aufzurichten. Es klappte nicht, da er zu dünn ist, um es ohne Hilfsmittel zu schaffen. Auch der zweite Versuch nach dem Abendbrot mit einem Hilfsmast haute noch nicht hin.
Dann muhte ich eine Raupe stillegen, da das Öl für die andere gebraucht wurde. Aus Potsdam habe ich immer noch keine Nachricht, welche Ölsorte zu verwenden ist. Wenn das so weiter geht, stehen bald beide.
Nach dem Abendessen nahm ich mir noch den Regler einer alten Einspritzpumpe vor, um ihn zu untersuchen. Ein Teil habe ich entfernt, um mir ein Spezialwerkzeug zu bauen zum Nachstellen der Normdrehzahl. Das wird notwendig, da ein Aggregat zu schnell läuft.
Vielleicht fange ich jetzt doch noch an, den Brief zu schreiben.

15.2.88 (127)

Gerade hat Steffen meine alte Bierbüchse als Weinglas abgelehnt, obwohl sie doch sauber ist und er sein Glas in der Station vergessen hat. Ich habe ihm mein Glas gegeben, selber die Bierbüchse genommen und ihm mit der Veröffentlichung seines Verhaltens in meinem Tagebuch gedroht und diese Drohung auch sofort in die Tat umgesetzt. Spaß muss auch sein.
Ansonsten haben wir uns heute auch mit ernsthaften Dingen beschäftigt. Vormittags kam der Kran von der SU-Station und wir haben die Container auf den Schlitten gehoben. Da sie im Eis festgefroren waren, hat das seine Zeit gedauert. Nachmittags wollten wir weitermachen, aber da ein Flugzeug angekündigt worden war, mit dem auch der Kranfahrer zurückfliegen soll, fiel erst mal alles aus. Es soll morgen früh weitergehen.
Nach dem Mittagessen räumten wir noch ein paar Kisten um und dann half ich Kurt in der Küche, denn um 18.00 Uhr sollte die sowjetische Stationsleitung (drei Mann) kommen. Wir haben uns so vollgefr..., dass wir uns kaum noch bewegen konnten. Ich habe mir von Kurt noch ein paar Tricks abgelauscht, bin also selbst fast Koch. Der bessere Bäcker in der Oase bin ich jetzt schon, meine Buttercremetorten sind berühmt.
Die Feier zog sich hin, Steffen und ich, wir zogen uns mit einer Flasche Oasenwein in den Container zurück, um zu schreiben. Jetzt ist es 0.30 Uhr und Zeit, ins Bett zu gehen. Wahrscheinlich werde ich aber wieder nachts im Schlafanzug im Wind stehen und pinkeln. Bei minus 7 oder 8° C kein Vergnügen, aber noch kommen keine Eiswürfel.

16.2.88 (128)

Heute begann die Rückreise der ersten Teilnehmer der 32. SAE. Eine IL 14 kam von Molodjoshnaja und nahm 4 Mann mit, darunter auch Wassja. Wir sind jetzt also nur noch 9 in der Station. Steffen und ich, wir hatten unsere Briefe fertig, da ich ahnte, dass die Maschine auch auf der noch nicht fertigen Landebahn landen würde. Ich bin gespannt, wann er in Berlin eintreffen wird.
Heute Vormittag kam der richtige Kranfahrer und hob mit viel Gefühl die Aggregate samt Container von unseren 3 Schlitten. Mit Hilfe des Krans und einer 10-t-Winde rissen wir den Schlitten vom Eis los und stellten ihn auf Sand, damit er uns nicht wieder festfriert.
Die Walakusche konnte der Kran nicht auf den Schlitten heben, also müssen wir sie extra ziehen.
Mit dem Traktor gab es wieder Ärger, da alle Benzinleitungen mit Rost zugesetzt waren. Morgen muss ich den Tank ausbauen und reinigen. Nachmittags habe ich die Raupe für diese Arbeiten hinter die DES gefahren. Einige Kettenglieder müssen auch noch festgeschraubt werden.
Heute gehe ich mal früh schlafen. Ich muss auch irgendwann noch ein paar Bilder machen und was fürs Brigadebuch schreiben.

17.2.88 (129)

Ich bin nach der ersten Filmrolle gegangen. Filme, die im Gefängnis spielen, vertrage ich einfach nicht, sie regen mich zu sehr auf und lenken meine Gedanken in Bahnen, die meine allgemeine Stimmung nicht gerade verbessern. Da ich auch noch Strümpfe stopfen muss, ist es keine verlorenen Zeit. Heute gab es neben der Arbeit an der Raupe (Tank ausbauen, reinigen usw. und Kettenbolzen nachziehen) auch wieder eine Rettungstat. Der MTT war vor der Oase liegengeblieben und die sowjetischen Kollegen baten uns um Hilfe. Mit viel Mühe bekam ich ihn angeschleppt und er konnte in Richtung Flugplatz weiterfahren. Beim Start zu dieser Aktion Hatte ich allerdings übersehen, dass Hans die Propanflasche nebst Brenner hinter der ATT abgestellt hatte, und habe beide breitgefahren. So hatte ich nach dem Abendbrot noch die Gelegenheit, einen neuen Brenner zu bauen. Als Grundlage diente eine kleine Fettpresse. Um 21.00 Uhr war er fertig und ausprobiert. Morgen muss ich noch einen neuen Schlauch anbauen und eventuell die Düse etwas verlängern, dann ist alles perfekt. Man lernt hier eben viel.
Morgen bin ich für den Küchendienst in der SU-Station eingeteilt, da bleibt kaum Zeit für andere Dinge. Aber danach geht wieder alles seinen geregelten Gang. Von der SU-Station habe ich Trockenhefe mitgebracht und werde demnächst versuchen, damit zu backen. Wenn es klappt, steht weiteren Großtaten nichts im Wege.

18.2.88 (130)

Beinahe wäre es passiert. Ich hatte mich bereits verabschiedet, um mich recht früh in meinen Container zurückzuziehen, da sehe ich doch, dass Molo in der Küche am Weinballon arbeitet. Also plante ich meinen Rückzug später ein und trank noch etwas Kirschwein.
Der Tag war sowieso etwas unproduktiv, da ich heute Deshurnij (wörtlich: Dinsthabender) in der SU-Station war. Außer Wäschewaschen und Mittagsschlaf war nicht viel. Nur die Wege hin und zurück (3 x) waren schwer, da die Windgeschwindigkeit bis auf 36 m/s gestiegen war. Unser Container vibriert auch ganz schön. Auf jeden Fall muss ich jetzt noch Betten beziehen, um endlich schlafen gehen zu können.
Für den Brenner, den ich gestern baute, habe ich heute noch eine neue Düse gedreht, er arbeitet bestens. Ich werde wohl noch einen zweiten bauen.