19.04.88 (191)

Morgen soll der Pochod wirklich losgehen. Das Wetter ist zwar nicht gerade vorzüglich, aber es muß sein.
Heute gab es auch wieder viel Arbeit und auch Ärger. Vormittags wurde auf der ATT aufgeräumt und dann in Richtung alte DES gefahren, da wir dort nach dem Mittagessen den Kran erwarten sollten. Der kam dann auch und ich mußte ihn durch den Schnee bis zur Station ziehen. Wir hoben die Container von den Schlitten und verstauten auch den Reservemotor. Anschließend tranken wir Tee. Der Kranfahrer bekam ein Bier. Dort sagte ich auch, das Fritz ein Faß runterrollen sollte, da ich noch Diesel umtanken mußte. Als ich den Kran weggeschafft hatte und zurückkam, war natürlich nichts da. Ich habe dann alles selbst gemacht und in der Dunkelheit bei Wind und Schnee gearbeitet. Fritz war dann noch beleidigt, als ich das öffentlich sagte. Es wird wohl noch mehr Ärger geben.
Abends war Banja für den Pochod. Anschließend war ich noch bei Serjosha Kaffee trinken. Ich nahm ihm noch etwas Epoxidharz mit und er gab mir noch ein paar Tipps für die ATT. Er ist wirklich ein Bombenkerl.
Abends entwickelte ich noch einen Film. Anschließend werde ich noch ein paar Abzüge machen.

20.04.88 (192)

Der Pochod ging nicht los, es war viel Wind und Schneefegen.
Fritz kam demonstrativ mit Zettel und Bleistift zum Frühstück. Ich reagierte darauf nicht und da wir am Vorabend geklärt hatten, was zu erledigen war, war nichts aufzuschreiben.
Nach dem Frühstück tankten wir den Rest Kerosin in die ATT und ich fuhr anschließend in die SU-Station, um den Ölfilter zu reinigen. Das dauerte seine Zeit und da ich dort erfuhr, dass der Pochod heute nicht fährt, blieb ich dort bis zum Mittagessen.
Danach tankte ich mit Fritz noch 3 Kanister Kühlflüssigkeit und dann fuhren wir zurück zur Station. Er hatte sich offensichtlich normalisiert.
In der Station gab es die nächste Überraschung. Volker hatte in der DES an der Schalttafel falsch geschaltet. Mit einer kurzen Stromunterbrechung konnte ich das wieder hinbiegen. Nachher gehe ich noch einmal in die Banja und abends werde ich mal früher schlafen gehen.

21.04.88 (193)

Heute geht es wirklich los. Ich stehe mit meiner Maschine vor der Oase und warte. Heute morgen gab es wieder Ärger. Ich stand im Zimmer, wollte mich gerade anziehen, da kam die Alarmsirene der DES. Ich zog schnell Unterhose und Jacke an und rannte rüber, Wassertemperatur 95°C. Ich wollte schon mit Steffen meckern, weil um 7 Uhr keine Kontrolle eingetragen war. Er sagte mir aber, dass er Fritz gebeten hatte, es zu tun, wenn er in die SU-Station zum Dienst geht. Der hatte es offensichtlich vergessen und dadurch nicht bemerkt, dass durch den schwach werdenden Wind die Temperatur stark angestiegen war. Ich nehme an, Günther wird Fritz ein par auf den Deckel geben. Ölwechsel hat Fritz gestern auch nicht gemacht, dafür habe ich ihm noch einen Zettel hingelegt. Es ist Mist, wenn man sich auf seinen zweiten Mann nicht verlassen kann. Das ist schlimmer, als wenn man alles allein machen muss.
Es dauerte lange, bis es endlich losging. Ich fuhr noch mal rein und holte die Sonnenbrille, die ich vergessen hatte, und aß noch etwas in der Kajut, ein verfrühtes Mittagessen zusammen mit den anderen SU-Kollegen. Wir fuhren bis in die Nacht hinein, d.h. bis in die Dunkelheit, die zwischen 16 und 17 Uhr kommt. Dann war Schluss für heute.

22.04.88 (194)

Morgens ging es weiter, aber alles nur nicht so schnell. Dann aber wieder schnell, dass ich dachte, es geht durch bis zur Küste. Da wir aber Schwierigkeiten mit dem Weg hatten, landeten wir abends planmäßig in der indischen Station. Dort verlebten wir einen netten Abend bei Musik uns Schnaps, aber nicht viel. Telefonieren war aber nicht möglich.
Ich hatte den harten Job des Dolmetschers, es klappte einwandfrei trotz meiner beschränkten Russischkenntnisse.
Der neue indische Stationsleiter ist ganz anders als der vorherige, er will viel haben, aber wenig geben. Gegen 21.30 Uhr war die Sache zu Ende. Wir hatten Schwierigkeiten, den MTT in Gang zu setzen, mit dem wir hergekommen haben, aber dann ging es zurück zu unseren Fahrzeugen.

23.04.88 (195)'

Morgens waren ca. -30 C und ich hatte Probleme, meine Vorwärmanlage in Gang zu halten. Der Kraftstoff ist großer Mist. Ich musste die ganze Zeit in der Maschine sitzen und pumpen. Dann fuhren wir die letzten 20 km bis zur Barriere. Der Balog dort war natürlich eiskalt und wurde auch bis zum Abend nicht richtig warm. Das ist eben Antarktis. Viel gemacht wurde nicht mehr. Ich befestigte noch die Ladung, die ich mitnehmen muss, dann gab es abends noch einen Film. Jetzt ist Ruhe angesagt.

24.04.88 (196)

Das Wetter war etwas schlechter und morgens ging das Theater mit der Vorwärmanlage wieder los. Heute wurden dann 2 Fässer Kerosin getankt. Jetzt ist der Diesel dünner und vielleicht läuft alles besser.
Ansonsten wurden noch die Tankschlitten gefüllt. Mit meiner unbeladenen ATT bekam ich einen Tankschlitten nicht von den großen Tanks weg, schaffte es aber noch, eine etwas ältere Trosse durchzureißen.
Ansonsten gab es noch einen Film. Den Kran hatte ich auch noch freigeschaufelt und aus dem Schnee aufs Eis gezogen. Dafür gibt es jetzt einen kleinen Schneesturm. Mal sehen, wie der Kran morgen aussieht, falls wir ihn schon besuchen können.

25.04.88 (197)

Den ganzen Tag Schneesturm, essen, lesen und schlafen. Unangenehm war der Weg vom Wohnmobil zum Balog, man kann die Hand nicht vor Augen sehen und man muss kriechen. Die Außentür vom Balog (innen ist noch eine) ist offen und nur mit einer Decke verhängt, damit man sich wieder freischaufeln kann.

26.04.88 (198)

Dass ich diese Zeilen noch schreiben kann, freut mich sehr. An dieser Stelle hätte auch leicht mein Nachruf stehen können.
Gestern Abend war ich gerade auf der Toilette, als es eine Verpuffung gab und die automatische Feuerlöschanlage ansprach und es stickig wurde. Der Propanschlauch war auf der Hochdruckseite auseinandergeflogen und das Propan hatte sich am Herd entzündet. Da die Flasche auf dem Dach steht, war ein Zudrehen nicht möglich. Serjoscha knickte den Schlauch ab und ich hielt ihn fest und er drehte einen Stopfen rein. Wäre die Sache nachts passier, wären wir erstickt oder bei einem Funken in die Luft geflogen. Schuld ist der Pfusch, der hier produziert wird. Bei der Reparatur habe ich dafür gesorgt, daSS auch der Regler aufs Dach kommt und nur der Niederdruckschlauch nach unten geht. Wenn jetzt oben was auseinander geht, dann passiert das nur draußen. Im Balog gibt es eine ähnlich beschissenen Konstruktion, nur steht die Flasche da am Herd und wird auch zugedreht. Dafür geht der Regler nicht.
Ansonsten wie gestern, essen, lesen, Filme. Serjosha hat riesige Brandblasen, jetzt abends ist es besser.

27.04.88 (199)

Das gleiche Spiel wie gestern, Schneesturm, essen, 2 Filme. Nachmittags ein niedlicher Kinderfilm, abends ein französischer (Zug des Schreckens), der auch bei uns im Kino lief.
Der 7. Tag des Pochods ist um und wenn das Wetter gut wird, brauchen wir auf jeden Fall 4 Tage zum Be- und Entladen und für die Rückfahrt. Die Feier zum, 1. Mai ist damit gelaufen.
Funkkontakt gibt es auch keinen vernünftigen. Günther macht sich offensichtlich nicht die Mühe, mit reinzuhören.
Im Moment sind hier Temperaturen wie in der Sauna, der kleine Diesel läuft und heizt alles auf. Ich lese gerade die "Virginier" von Thackery, höchst amüsant, aber ich bin schon Mitte des zweiten Teils. Danach werde ich wohl das russische Wörterbuch lesen müssen, oder das Wetter wird besser. Bloß gut, daSss ich das Telegramm zum 20. Hochzeitstag schon vorher bei Günther abgegeben habe.

28.04.88 (200)

Wieder Schneesturm, der allerdings langsam nachlässt. Heute kochte ich das Essen. Es gab ein vorzügliches Gulasch. Abends im Kino die erste Wiederholung , da neue Filme nicht mehr da sind.