15.11.8 (401)

Das Wetter war und ist immer noch saumäßig. Wir haben endlich mal wieder einen Schneesturm. Ich hatte schon fast vergessen, dass ich in der Antarktis bin. Trotz des schlechten Wetters beluden wir die 10. und den MTT mit Fässern. Dann mussten wir Schluss machen. Auf gut Glück versuchte ich zwischendurch einmal, eine Verbindung mit dem MTLB über Funk aufzunehmen. Es klappte und ich erfuhr, dass unsere Leute bereits in Dagshin Gangotri sind und wenn das Wetter es erlaubt morgen hierher kommen wollen.
Heute hat der Doktor wieder "entzückenden" Kascha aus Weizen gekocht. Ist wie Tapetenkleister mit Körnern. Ich habe eindeutig gesagt, dass ich das morgen nicht mehr esse. Mich hat das rumstehende dreckige Geschirr so angestunken, dass ich erst einmal abgewaschen und aufgeräumt habe. Ansonsten hat der Doktor seltsame Ansichten. Dass viel Salz nicht gut ist, weiß jeder. Es gehört allerdings auch zur Allgemeinbildung, dass man ohne Salz auch nicht leben kann. Nur zu ihm hat sich das noch nicht herumgesprochen und das liegt nicht an meinem schlechten Russisch. Hauptsache, ich bleibe gesund.

16.11.88 (402)

Heute früh war das Wetter noch schlecht und wir legten einen Ruhetag ein. Da ich es abgelehnt hatte, den berühmten Kascha des Doktors zu essen, gab es nur Brot mit allerlei Zutaten. Er kochte auch noch Spaghetti, aber wir waren schon satt. Das Mittagessen machte ich. Das Fleisch lag natürlich noch draußen unter dem Schnee und in der Art ging es weiter. Mit allerlei Tricks schaffte ich es doch. Es gab Rinder- und Schweinebraten, Erbsen in Butter und Kartoffelpüree. Es schmeckte allen sehr gut. Es kamen auch mal Löffel, Messer und Gabel auf den Tisch, damit man ordentlich essen konnte. Ansonsten noch viel Kino.
Unsere Leute kamen nicht, das Wetter war vormittags noch zu schlecht. Mal sehen, ob sich der Doktor morgen um das Essen für morgen kümmert. Es ist genug da, nur alles noch eingefroren.

17.11.88 (403)

Bin gerade von einem herrlichen Mittagsschlafaufgewacht. Vormittags hatten wir geschindert, wieder Fässer verladen. Dann waren die drei Häuser für den Flugplatz dran. Jedes wiegt 8 t und der Kran hebt offiziell nur 5 t. Es klappte gerade so, sie anzuheben. Einmal war fast der Kran vom Schlitten gekippt. Dann musste ich die Schlitten rückwärts runterfahren. Das war schwierig, da durch die Fässer auf der 10 der Schlitten nicht zu sehen war und das Fahrzeug im Schnee auf die Lenkung nicht richtig reagierte. Außerdem hatte sich um die Häuser jeweils eine schöne Schneewehe gebildet. Bei einem mussten wir noch Schnee zur Seite schaufeln. Gegen 16.00 war alles geschafft. Dann gab es Essen, Suppe, und den Rest von dem, was ich gekocht hatte. Der Doktor hat noch was von seinem Tapetenkleister gegessen. Danach der Mittagsschlaf. Jetzt gibt es noch Tee und Kino.
Unsere Leute sind nicht gekommen. Ich hatte auch keine Funkverbindung bekommen. Der Doktor jammert, seine Zigaretten sind alle.

18.11.88 (404)

Heute gibt es wieder so viel zu erzählen., dass ich nicht genau weiß, womit ich beginnen soll.
Erst einmal raffte sich Tolja heute früh auf und sagte dem Doktor gründlich die Meinung und heute Abend klappte alles sehr gut mit dem Essen und dem Aufräumen. Unsere Leute mit dem MTLB waren auch hier (Steffen, Arthur und Wolf-Dieter). Viel Zeit zum Erzählen blieb nicht, sie tankten nur kurz, nahmen Eisproben, ließen eine Flasche hier und fuhren zurück zur indischen Station. Der vereinbarte Funkkontakt klappte leider nicht. Entweder vergaßen sie ihn oder hörten nur kurz ohne zu berücksichtigen, dass wir keinen Uhrenvergleich vorgenommen hatten.
Ansonsten arbeitete ich mit Sergej auf den Tanks. Wir pumpten Kraftstoff um. Es sind bestimmt noch 100 t hier. Wir kletterten auch beide in jeden Tank hinein, um mit dem Schlauch auch jeden Rest Kraftstoff herauszupumpen. Es war eine schwere, aber erfolgreiche Arbeit. In der DDR hätten sie uns für diese Arbeitsweise an die Wand gestellt. Befahren von Behältern ohne Erlaubnisschein, Atemgerät, Leine usw., aber hier ist alles möglich.
Von Steffen erfuhr ich, dass Prof. Meyer nicht fährt. Das stimmt mich nicht gerade fröhlich, weil er sehr viel Hektik verbreitet.
Auf jeden Fall wird es noch einen Pochod geben, um Kraftstoff zu holen. Den wird Thomas fahren, möglichst mit der 18, vielleicht auch wir beide. Tolja würde da mitmachen. Im Prinzip wäre das gut, da Thomas die Maschine noch nicht gut kennt. Mal sehen, was wird.

19.11.88 (405)

Der Tag wird so langsam verbummelt. Vormittags wurde noch die letzten Reste aus den Tanks umgepumpt und die Deckel verschraubt. Nach dem Betanken der Charkowchanka fuhren wir zum Balog zurück. Ich kümmerte mich um das Fleisch für das Abendessen. Es gibt gebratene Filetstücken in Letscho, dazu Bratkartoffeln. Morgen wird voraussichtlich auch noch rumgegammelt. Sergej bastelt ein Geschenk für Promod, seinen indischen Freund. Der hat am 21. Hochzeitstag und die Inder feiern dann alle Hochzeitstage zusammen. Von Hermichen habe ich erfahren, dass Meyer nicht fährt (sehe gerade, dass ich das gestern schon geschrieben habe). Das gibt auch Probleme mit der Post.
Der verabredete Funkkontakt mit dem MTLB hat bisher nicht geklappt.
Es ist jetzt fast Mitternacht. Den russischen Film mit Banditen und Roten haben wir auch hinter uns. Das Fleisch für den Aufschnitt ist auch fertig, der Gulasch wird morgen noch ein Stündchen gekocht. Beim Abendessen wurde ordentlich reingehauen. Es hatte lange nicht mehr so geschmeckt.
Die Sonne geht auch nicht mehr unter, sie berührt gerade noch den Horizont im Süden. Ich habe jetzt gerade noch ein paar Gegenlichtaufnahmen gemacht. Außerdem war noch der Balog mit seinen diversen Dreckhaufen dran.
Wenn ich daran denke, wie viele Dias das werden, wird mir jetzt schon ganz schlecht, aber ich bin ja lange genug zu hause, um alles aufzuarbeiten (hat natürlich nicht so geklappt, selbst heute ist nicht alles fertig).

20.11.88 (406)

Der letzte Ruhetag vor der Rückfahrt. Ich stand im Prinzip den Tag über in der Küche und habe wieder das Essen gemacht. Unter anderem gab es Bouletten aus Ziegen- und Rindfleisch mit Käse. Es war aber heute das letzte mal, langsam habe ich keine Lust mehr. Sergej hat an seinem Bild für die Inder weitergearbeitet. Da das Sperrholz nun nicht so ist, wie er es haben will, hat er den ganzen Tag nur rumgeflucht, dabei sieht es gut aus und ist fast fertig. Er bringt es fertig und zerhaut es noch. In dieser Beziehung können einem die Jungs schon ganz schön auf die Nerven gehen. Geht mal was schief, überlegen sie nicht und gehen die Sache ruhig an, sondern fluchen und arbeiten oft blind drauf los und versauen dann viel.
Mit Alec habe ich gestern seinen Fotoapparat repariert. Das war recht langwierig, aber es klappte und er hat die Ruhe weg. Heute habe ich auch noch mal die Gelegenheit genutzt, mich von Kopf bis Fuß zu waschen. Wäsche zum Wechseln habe ich leider keine mehr. Es sind zum Glück nur noch 3 Tage. Morgen wird es bei den Indern hoffentlich ein lustiger Abend. Einen Kriegsfilm habe ich heute schon hinter mir, mal sehen, was jetzt für einer kommt.

21.11.88 (407)

Wir sind auf der Rückreise. Vormittags tankten wir noch die Maschinen auf und koppelten alles zusammen. Der Doktor vergaß beim Zusammenpacken natürlich die Butter. Ich durfte dann noch von dem 15-kg-Paket ein Stück abschneiden, damit wir fertig wurden. An der Charkowchanka waren dann noch 3 Kettenbolzen zu wechseln. Warum das immer im letzten Moment gemacht wird, habe ich bis heute nicht begriffen. Dann ging es endlich los. Das Wetter war schlecht, Wind, Schnee und bedeckter Himmel, dass man die Spur nur mit mühe und unmittelbar vor der Maschine sehen konnte. An unserem Startpunkt waren wir im Laufe der Zeit so viel hin und her gefahren, dass ich prompt von der richtigen Spur abkam und nichts mehr sah. In der Charkowchanka saß der neue Doktor und fuhr und hatte natürlich nicht die Panzerhaube mit den Kopfhörern auf. Nach einiger Zeit war aber wieder alles geregelt und beisammen. Da wir wenig Fracht hatten, konnten wir schnell fahren und waren nach 1 ½ Stunden in der Nähe der indischen Station. Die Inder kamen auch bald angefahren und luden uns zum Duschen ein. Da sind meine sowjetischen Kollegen immer nicht so begeistert. Ich habe dann auch nicht weiter gedrängt, obwohl ich es sehr schön gefunden hätte.
Gestern sahen wir wieder einen Kämpferfilm aus der Zeit nach dem Bürgerkrieg. Es ist verwunderlich, wie erwachsenen Menschen ernsthaft über so einen Film diskutieren, der sich auf dem Niveau eines schlechten Kinderfilms bewegt. Ich sah hier bereits etliche Filme, die sich mit der Zeit des Weltkriegs beschäftigten. Bis auf eine Ausnahme waren alle ziemlich niveaulos, insbesondere was die Darstellung des Gegners angeht. Prinzipiell werden dort nur Verwundete erschossen (die eigenen) und es sind eigentlich nur Dummköpfe. Die Darstellung des Milieus stimmt nicht und damit dient man der Sache überhaupt nicht. Es ist aber zu beobachten, dass das nur wenigen auffällt. Alec ist hier die Ausnahme; wahrscheinlich, weil er durch die Seefahrt viel gesehen hat. Außerdem liest er viel und kennt sich in der Geschichte gut aus.
Abends in der indischen Station. Pramod hatte Hochzeitstag. Die übliche Feier. Für den Doktor hatte ich Fotopapier mit, das er dringend benötigte, außerdem für jeden ein Foto unseres Überwinterungsteams mit meiner Adresse. Pramod will unbedingt schreiben.
Wir (d. h. ich) waren in seinem Zimmer und haben uns über viele Dinge unterhalten. Es war sehr interessant. Abends zum Schluss wieder die üblichen Filme für die Freunde. Als wir die Station verließen, war draußen Schneesturm. Wir fuhren noch ein Stück, damit wir die Toilette benutzen konnten.
Außerdem hatte ich noch Kontakt mit der Station. Gerald gab mir 3 Telegramme durch. Morgen will Meyer nach Dagshin Gangotri fahren. Wird wohl wegen des schlechten Wetters ausfallen.

22.11.88 (408)

Wir sitzen noch wegen des schlechten Wetters fest. Hoffentlich hört der Schneesturm bald auf. Brot ist knapp, Marmelade alle, Fleisch ist fast alle, nur noch ein eingefrorenes Stück. Wie ich den Doktor kenne, denkt er nicht rechzeitig daran, es aufzutauen. Wir haben allerdings noch Nudeln und ein paar Konserven. Das reicht für etliche Tage, nur wird das Essen recht eintönig. Der Doktor ist zu blöd, das fertige Essen aufzuwärmen. Da er nicht rührt, setzt alles an und wird schwarz. Die zwei oder drei Tage werde ich es schon noch aushalten, ohne etwas zu sagen. Von einem Mann mit Hochschulqualifikation hätte ich mehr erwartet. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten und zu lesen, zu schlafen und Tee zu trinken.
Das Wetter bessert sich langsam und wir fuhren erst einmal zu den anderen Fahrzeugen unseres Konvois. Um 17.30 Uhr ging es dann endgültig los. Mit einer Pause von 30 Minuten fuhren wir gegen die im Süden stehende Sonne zur Oase, die wir um 2.00 Uhr früh erreichten. Danach noch Abtransport der Schlitten zum Stellplatz, Transport meiner persönlichen Dinge zur Station, Banja und gegen 5.00 Uhr ins Bett.

23.11.88 (409)

Um 9.30 Uhr stand ich wieder auf, trank Kaffee und ging in die SU-Station, um meine Wäsche zu waschen. Nach dem Mittagessen trafen wir uns noch einmal in der Charkowchanka. Shirschow hatte 0,5 l Sprit und 12 Büchsen Bier rausgegeben, die wir nun vertilgten. Das zog sich dann bis 17.00 Uhr hin. Ich holte noch die fertige Wäsche aus der Banja und ging zum Abendessen. Bei den Gesprächen mit den Freunden hatte sich herausgestellt, dass sie ein wichtiges Ersatzteil für unsere ATT an der Barriere versehentlich als Schrott abgeladen hatten. Die Reparatur kann also erst nach dem nächsten Pochod abgeschlossen werden.
Früh waren Thomas, Arthur, Meyer und Wilfried zur indischen Station gefahren. Da der Funkkontakt ausblieb, wurde schon langsam die Rettungsaktion organisiert. Gegen 0.00 Uhr war dann aber wieder alles klar und wir gingen schlafen.

24.11.88 (410)

Der erste normale Arbeitstag. Wir begannen mit der Reinigung der ATT. Außerdem pumpten wir Diesel aus dem Tankschlitten, der immer noch bei uns stand. Leider hat Thomas alles so gelassen, wie es schon bei meiner Abfahrt gewesen war. Er kann sich gegen Meyer nicht so recht durchsetzen. Es war viel Wirbel in der Station, da eine SU-Kommission ale Stationen besuchte. Solche Kontrollen sind immer etwas unangenehm.
Abends essen wir heute hier, es gibt Hammelgulasch. Nach dem Mittagessen war auch Sergej hier und wir besprachen, was an der ATT noch zu tun ist.
Von Oma kam ein Telegramm mit ziemlich geheimnisvollen Andeutungen. Mal sehen, was das wird.